Mittwoch, 27. April 2016

Rezension | Mein bester letzter Sommer

Anne Freytag | Einzelband | Heyne fliegt | 14,99€ | OT: / | März 2016 | 368 Seiten | Meine Wertung: 5/5

Tessa hat immer gewartet – auf den perfekten Moment, den perfekten Jungen, den perfekten Kuss. Weil sie dachte, dass sie noch Zeit hat. Doch dann erfährt das 17-jährige Mädchen, dass es bald sterben muss. Tessa ist fassungslos, wütend, verzweifelt – bis sie Oskar trifft. Einen Jungen, der hinter ihre Fassade zu blicken vermag, der keine Angst vor ihrem Geheimnis hat, der ihr immer zur Seite steht. Er überrascht sie mit einem großartigen Plan und schenkt ihr einen letzten Sommer. Einen Sommer, in dem Zeit keine Rolle spielt und Gefühle alles sind …

Die großen Kopfhörer liegen weich auf meinen Ohren und verschlucken die Außenwelt.

"Ich glaube, es gibt zwei Sorten von Umarmungen. Die harmlose Zwischendurch-Umarmung, die nicht wirklich viel bedeutet, und dann noch die, die etwas bedeutet. Diese hier ist wie eine Festung. Sie sagt alles, was meine Mutter nicht sagen kann, ohne dabei zusammenzubrechen."
(Seite 191)

"Mein bester letzter Sommer" ist ein Buch, das in den Himmel gelobt und geliebt wird. Tatsächlich weiß ich nun auch, warum. Das Lesen dieses Buches ist eine Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen will, weshalb es kein Wunder ist, dass sich auch meine Rezension in den Chor der Lobeshymnen einreiht.

Zwei Kapitel, dann hatte die Autorin mich. Schon war ich gefangen in der Geschichte, verliebt in den Schreibstil und erlebte die tiefgreifenden Gedanken der Protagonistin Tessa hautnah. Die Art, mit der sie erzählt, ist unglaublich berührend. Natürlich denkt sie ständig über ihren bevorstehenden Tod nach, in ihren Gedanken ist das Sterben allgegenwärtig. Tessa reagiert oft zynisch und mit Bitterkeit, was ihre Persönlichkeit in meinen Augen erst so authentisch macht. Gleichzeitig kann ihr Charakter so wunderbar liebenswert sein. Wenn ich Worte für dieses Buch suche, dann wäre "echt" dabei. Es ist ehrlich; unschöne Dinge und Streitigkeiten gehen vor sich, doch durch genau diesen schonungslosen Umgang bleibt es mir im Kopf.


Und dann tritt Oskar in Tessas Leben und der Leser kann sich genau wie Tessa nicht davor wehren, ihm zu verfallen. Teskar ist ein wundervolles Paar, bei dem man die Emotionen tief spürt und man merkt, wie Tessa aufblüht und wieder Glück fühlen kann. Ihr "Verfallsdatum", wie Tessa sagen würde, ist zwar unmöglich zu vergessen und immer dabei, jedoch zeigt das Buch, wie sehr es auf das Leben ankommt und welche Bedeutung die Liebe trägt.
Allerdings hat mich teilweise gestört, in welch großem Maße Tessa eifersüchtig werden kann und dass Oskar praktisch alles für sie erledigt - zwar trägt dies teilweise zur Authentizität bei, doch für mich war es schon ein Stück zu viel - ich hatte erwartet, dass Tessa das volle Leben auskosten und damit auch Risiken eingehen will und sei es nur, dass sie sich das Frühstück selbst holt. Trotzdem ist es die Wahrheit, wenn ich sage, dass ich sehr mit Tessa mitgefühlt und mitgelitten habe. Und auch Oskar lernt man durch einige wenige Kapitel aus seiner Perspektive nochmals stärker kennen, was seine Sympathiepunkte vervielfacht hat.

Kurzum, die Liebesgeschichte ist herzzerreißend schön und sie ist besonders. Warum das Wort "Krabbe" für mich nun wohl stets einen zärtlichen Klang innehat, müsst ihr selbst herausfinden. Nicht zu vergessen, der wunderbare Roadtrip durch Italien, wobei dieser gar nicht im Mittelpunkt steht. Außerdem Extras wie eine Playlist mit den Songs, die im Buch genannt werden. So oder so, ich bin davon überzeugt, dass ihr es nicht bereuen werdet.


Ich muss zugeben, dass mich Mein bester letzter Sommer oft an andere Bücher ähnlicher Thematik erinnert hat. Sick Lit ist bei Weitem auch nicht mehr neu, doch Anne Freytag hat einen so herausragenden Schreibstil, dass sich die Story um Tessa zu einer ganz eigenen entwickelt hat. Sehr flüssig und aufwühlend zu lesen, tiefgründige Zitate und gleichzeitig erfrischender Humor. Dabei sind manche Passagen so gefühlvoll oder todtraurig, dass sie zu Tränen rühren, was bei mir während des Lesens wirklich nur selten vorkommt.



Die ersten Dreiviertel des Buches war ich davon überzeugt, dass ich zusätzlich zu den fünf Sternen noch mein Buchjuwel vergeben muss, sozusagen meinen sechsten Stern für meine allerliebsten Lieblinge. Doch dann kam der Endteil, der mich unabhängig von dem Geschehen, das trotz allem gelungen war, irgendwie so gar nicht mehr packen konnte. Ich weiß nicht, ob es an mir lag und daran, dass ich das Buch nicht in einem Rutsch gelesen habe, jedoch sind meine Begeisterungsstürme dort auf ein Minimum gesunken. Zusätzlich zu den kleineren, oben genannten Kritikpunkten bezweifelte ich, ob Mein bester letzter Sommer dem Buchjuwel würdig ist.
Aber wie ihr seht, habe ich mich dazu entschieden, es doch zu vergeben, denn mir ist klar geworden, dass dieses Buch bedeutend für mich ist. Es brachte mir seine eigenen Lektionen bei, schnallte mich an eine Achterbahn der Gefühle, deren Erinnerung mich heute noch weiterbringt. Und wenn dies das Buchjuwel nicht rechtfertigt, dann weiß ich auch nicht.

Liebe Anne Freytag, für dein Buch vergebe ich meine persönliche Auszeichnung. Sie mag so nicht nach viel aussehen, aber glaub mir, in mir hast du einiges bewegt. Danke.

Mein bester letzter Sommer ist ein wundervoller, gefühlvoller Roman über das Leben und seine Chancen mit einer herzerwärmenden Liebesgeschichte, der mich außerordentlich berührt hat.


5 Kommentare:

  1. Ich hatte auch ein bisschen Kritik an dem Buch, vor allem dass die Liebesgeschichte einfach zu schnell ging und es ja quasi Liebe auf den ersten Blick war, aber trotzdem hat das Buch fast die volle Punktzahl bekommen. Dass Tessa ein bisschen mit der Eifersucht und Unselbstständigkeit übertreibt, sehe ich auch so. Trotzdem ist das Buch einfach so schön und berührend, dass man darüber ganz gut hinwegsehen kann :D
    Dass es die Auszeichnung von dir erhält, kann ich deshalb auch nachvollziehen. So eine Entscheidung muss ja nicht immer ganz rational sein, sondern ist einfach vom Gefühl abhängig :)
    Liebe Grüße!

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    1. Hey Jacquy, danke für deinen Kommentar! Das ist schön zu lesen, dass ich nicht allein dastehe :D Dass mit der Liebe auf den ersten Blick habe ich einfach mal so hingenommen, wie du schon sagtest, die Kritikpunkte machen im Vergleich zu dem wundervollen Rest nicht mehr viel aus.
      Und die Bewertung vergebe ich sowieso meist nach Gefühl, es ist zum Beispiel schon vorgekommen, dass ich viel Kritik hatte, das Buch von mir aber trotzdem vier Sterne bekommen hat :)

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    2. Finde ich auch viel besser so. Mit komplett objektiven und sachlichen Rezensionen kann man im Endeffekt ja auch nur selten etwas anfangen. Und wenn andere über Fehler hinwegsehen konnten, dann ist es recht wahrscheinlich, dass man es selbst auch kann und die Bewertung dann einfach passt :)

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  2. Huhu liebste Noemi <3

    ich liebe dieses Buch und in mir hat es sehr ähnliche Emotionen ausgelöst wie in dir :). Auch ich habe die volle Punktzahl vergeben + den Status Lieblingsbuch. Ich bin immer noch hin und weg und werde Teskar definitiv nie mehr vergessen :) Du hast wieder einmal wundervolle Worte gefunden, eine echt großartige Rezension.

    Vielen Dank dafür, drück ich, Ally

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    1. Danke, liebe Ally! <3 deine Rezension ist aber auch sehr berührend und es ist schön, dass dir das Buch auch so viel bedeutet :)

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