Montag, 11. Mai 2015

[Rezension] Jenseits der blauen Grenze

Jenseits der blauen Grenze
 Dorit Linke | Einzelband | Magellan | 16,95€ | Juli 2014 | 304 Seiten | Meine Wertung: 4/5

Die DDR im August 1989: Hanna und Andreas sind ins Visier der Staatsmacht geraten und müssen ihre Zukunftspläne von Studium und Wunschberuf aufgeben. Stattdessen sehen sie sich Willkür, Misstrauen und Repressalien ausgesetzt. Ihre einzige Chance auf ein selbstbestimmtes Leben liegt in der Flucht über die Ostsee. Fünfzig Kilometer Wasser trennen sie von der Freiheit – und nur ein dünnes, verbindendes Seil um ihr Handgelenk rettet sie vor der absoluten Einsamkeit …


  
Unsere Taschen liegen vergraben unter einem Hagebuttenstrauch.

Warum also sollten wir es nicht versuchen?
»Wir warten nicht mehr auf ein Wunder«, sagte Andreas immer. »Wir nehmen die Sache selbst in die Hand.«
(Seite 61)

Das Cover hat wie andere Magellan-Bücher eine sehr schöne Aufmachung. Die Farben gefallen mir sehr und auch inhaltlich passt es. Einzigartig finde ich ebenfalls die Gestaltung des hinteren Buchdeckels.


Nachdem mir das Buch sehr ans Herz gelegt wurde und mich auch die Thematik interessierte, war ich sehr gespannt, was mich erwarten wird.

Der Einstieg beginnt schon aufregend, in noch derselben Nacht wollen Hanna und Andreas aufbrechen. Sie sind tadellos vorbereitet, von Anfang an hat es mich beeindruckt, wie authentisch und durchdacht die Autorin die vielen Faktoren mit eingebracht hat.

Natürlich besteht das Buch nicht nur aus der Flucht, zwischendurch kommen immer wieder Erinnerungen hoch, die das Leben von Hanna und Andreas davor zeigen, erklären, warum die beiden das Risiko in Kauf nehmen, um frei zu sein. Insgesamt spielen sie sogar eine größere Rolle und machen den Hauptteil aus. Das finde ich einerseits gut, andererseits auch nicht ganz.
Ohne Zweifel ist es interessant und sehr erfahrungsreich zu erleben, wie das Leben in der DDR damals war. Ohne diese Elemente würden dem Buch essentielle Gedanken fehlen, sie müssen vorhanden sein, damit man sich auf die Geschichte einlassen kann. Gerade meine Altersklasse bzw. jüngere Generationen sollten mehr darüber wissen und ich habe einen guten ersten Einblick bekommen, den man auch gut gebrauchen kann.

Aber es ist nun einmal so, dass mir die "Meerszenen" wesentlich besser gefallen. Sie bleiben permanent atemberaubend spannend und heikle Wendungen sorgen immer wieder für Aufregung.
Die Rückblicke hingegen sind zwar wichtig für die Hintergrundinformationen, doch häufig passiert einfach nichts Neues und daher wird es stellenweise sehr langatmig.


Auch die Charaktere zeigen erst bei der Flucht durch die Ostsee Facetten. Ich bewundere Hanna für ihren Kampfgeist und Vernunft, die sie bei ihrer riskanten Flucht zeigt. Ihre schwankenden Emotionen und die übermäßige Erschöpfung werden brillant beschrieben. Währenddessen fand ich in den Rückblicken wenig Zugang zu ihr, dort bleibt sie oberflächlich und ich konnte kaum einschätzen, was sie fühlt.
Andreas ist mir ebenfalls sympathisch geworden und das nicht erst während der Flucht. Sachsen-Jensi hingegen hat mich mit seinen lahmen Witzen und seiner unreifen Art eher genervt.
Die Freundschaft der drei ist zwar spürbar, doch generell hätte ich mir noch mehr zwischenmenschliche Beziehungen gewünscht z.B das Verhältnis von Hanna zu ihrer Familie.

Mit dem Schreibstil geht es mir wie mit vielem im Buch - im Meer während der Flucht mag ich ihn deutlich mehr. Vor allem gegen Ende wird er einzigartig, aber trotzdem ist er zu jeder Zeit angenehm zu lesen und ich denke, dass er an jede Situation angepasst ist, was genau die richtige Atmosphäre erzeugt.


 
 Ich bin zwar zwiegespalten, was die Spannung angeht, doch alles in allem konnte mich das Buch mitreißen, vor allem in den Fluchtszenen, von denen es ruhig hätte mehr geben können. Trotzdem kann ich das Buch unbedingt weiterempfehlen, schon allein deshalb, um sich über den geschichtlichen Hintergrund weiterzubilden. Genug Stoff zum Nachdenken gibt es ebenfalls.


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