Donnerstag, 1. September 2016

Rezension | Elanus

Ursula Poznanski | Einzelband | Loewe | 14,95€ | August 2016 | 416 Seiten

Es ist klein. Es ist leise. Es sieht alles.

Jona ist siebzehn und seinen Altersgenossen ein ganzes Stück voraus, was Intelligenz und Auffassungsgabe betrifft. Allerdings ist er auch sehr talentiert darin, sich bei anderen unbeliebt zu machen und anzuecken. Auf die hervorgerufene Ablehnung reagiert Jonas auf ganz eigene Weise: Er lässt sein privates Forschungsobjekt auf seine Neider los: eine Drohne. Klein, leise, mit einer hervorragenden Kamera ausgestattet und imstande, jede Person aufzuspüren, über deren Handynummer Jona verfügt. Mit dem, was er auf diese Weise zu sehen bekommt, kann er sich zur Wehr setzen gegen Spott und Häme.
Doch dann erfährt er etwas, das besser unentdeckt geblieben wäre, und plötzlich schwebt er in tödlicher Gefahr.

Der Zug hielt mit einem Ruck.

 
"Als ob Benehmen je etwas gewesen wäre, worum er sich gekümmert hätte. [...] Egal wie viel diese Söhne und Töchter auf dem Konto liegen hatten - Intelligenz ließ sich nicht in Geld aufwiegen und in dem Punkt würde ihm niemand das Wasser reichen können."
(Seite 201)

Ein neuer Jugenbuchthriller von Ursula Poznanski - auch in Elanus steckt eine aktuelle, sehr interessante Idee: Drohnen.

Ebenfalls höchst faszinierend fand ich auf Anhieb den Besitzer dieser titelgebenden Drohne, unseren Protagonisten Jona. In seinem Umfeld macht er sich zwar schnell Feinde, aber ich war begeistert davon, wie intelligent er ist und wie selbstsicher er seine Genialität einsetzt. In Jonas Fall hat seine Arroganz und Unverschämtheit sogar dazu beigetragen, dass ich ihn viel sympathischer fand. Klar, einige Dinge, die er tut, kann man als moralisch verwerflich einstufen, aber das ändert nichts daran, dass er interessant ist. Ein unabhängiger Protagonist, der clever handelt und es den anderen zeigt, so habe ich mir seine Rolle letztlich vorgestellt.

Leider wurde ich in diesem Punkt doch noch enttäuscht. Wenn Jonas Persönlichkeit, die am Anfang noch ganz klar herausstach, konsequent durchgezogen worden wäre, wäre er womöglich noch zu einem meiner Charakter-Favoriten in der Buchwelt geworden, aber leider ist er schon bald nicht mehr der überdurchschnittlich begabte Junge, der rational vorgeht. Angefangen damit, dass er praktisch sein ganzes Wesen für ein Mädchen, das er kaum kennt, über den Haufen wirft, blind fremden Leuten Lebenswichtiges anvertraut und sich letztendlich immer dämlicher verhält...ein krasser Unterschied zu seiner angegebenen Intelligenz. Das ist nicht nur unpassend und schade, sondern auch immens unglaubwürdig. Ich mochte ihn im Endeffekt trotzdem ganz gern, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was möglich gewesen wäre.


Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist die Drohne Elanus. Sie wird zwar nicht jedes Kapitel genutzt (zum Glück, sonst wäre es schnell sehr eintönig geworden), aber man behält ihre Existenz trotzdem im Kopf. Die Details sind gut recherchiert und verständlich beschrieben, die Umsetzung der Idee ist also gelungen.
Ich bin von dem Thema sowieso angetan, da sie so vielfältige Möglichkeiten zum Verlauf des Plot birgt. Nach wenigen Spionage-Ausflügen hatte ich allerdings das Gefühl, dass sich Elanus' Einsatz auf ein und dasselbe Schema mit jeweils geringfügigen Unterschieden einpendelt, was etwas an Reiz genommen hat. (Und man hätte den Großteil der Fragen und Probleme lösen können, wenn man nur einen leistungsfähigeren Akku gehabt hätte, so als Anmerkung.)

Der Spannungsbogen hält nichtsdestotrotz ausdauernd durch, die rätselhafte und bedrohliche Atmosphäre voller Fragen wird aufrecht gehalten und die mitreißenden Wendungen kamen auch überraschend für mich. Ursula Poznanski schreibt sehr flüssig, sodass es nicht schwer fällt, sich von der Handlung fesseln zu lassen, vor allem, wenn zum Ende hin das i-Tüpfelchen enthüllt wird. Tatsächlich bleiben am Schluss noch einige Dinge, die mich interessiert hätten, offen; aber hier ist es nicht unpassend oder gar störend, es sich selbst auszulegen, denn die Art des Abschlusses fand ich sehr bemerkenswert.

Elanus hätte vor allem mit seinem Protagonisten Jona das Potential zu einem begeisterungswürdigen Buch gehabt. Leider kommen dann Jonas enttäuschende Persönlichkeitsveränderung und andere Unglaubwürdigkeiten in die Quere, doch faszinierend und lesenswert ist Elanus noch immer.

3,5 mit Tendenz nach oben


2 Kommentare:

  1. Hey Noemi <3

    ich kann deine Kritik was Jonas Wandlung angeht echt verstehen. Ich muss aber zugeben, dass mir ein Jona der etwas menschlicher und netter ist, doch besser gefallen hat als ein rational Denkender. Auch wenn ich seine Cleverness von Anfang an echt faszinierend fand und seine Überheblichkeit absolut zu ihm gepasst hat.

    Wegen deiner Bemerkung zu einem länger haltenden Akku musste ich gerade echt grinsen!!! Recht hast du, auch wenn dann alles zu einfach gewesen wäre, es muss ja dramatisch bleiben.

    Deine Rezensionen sind einfach großartig, dass kann ich gar nicht oft genug sagen.

    Liebste Grüße, Ally

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    1. Mit einem netten Jona hätte ich auch lieber zu tun, das stimmt schon - durch seine Arroganz war er vielleicht nicht sympathisch, aber faszinierend, und das hat mich so sehr interessiert :D

      Jaja, der Akku... An diesen Kommentar musste ich die ganze Zeit während des Lesens denken xD

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