Dienstag, 26. August 2014

[Rezension] Atemnot

Atemnot
Autorin: Ilsa J. Bick
Einzelband
Verlag: Egmont INK
Preis: 14,99€ (broschiert)
Originaltitel: Drowning Instinct
Erscheinungsdatum: 4. September 2014
Meine Wertung: 4/5
352 Seiten




Es gibt Geschichten, in denen das Mädchen seinen Prinzen findet, und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
So eine Geschichte ist das hier nicht.
Jenna Lords Leben verlief bisher nicht gerade wie im Märchen. Ihr Vater ist ein kontrollbesessener Neurotiker und ihre Mutter Alkoholikerin. Früher war ihr älterer Bruder ihr einziger Halt, doch jetzt ist er im Irak stationiert. Und vor einigen Jahren wäre Jenna beinah bei einem Hausbrand ums Leben gekommen.
Es gibt Geschichten, in denen das Monster das Mädchen umbringt und alle um das unschuldige Opfer trauern.
So eine Geschichte ist das hier auch nicht.
Mitch Anderson hat viele Qualitäten: Er ist ein engagierter Lehrer und Lauftrainer. Ein liebevoller Ehemann. Ein Mann mit einer ziemlichen … Anziehungskraft.
Und dann gibt es noch die Geschichten, bei denen man schwer sagen kann, wer der Prinz und wer das Monster ist, wer das Opfer und wer es verdient, bis an sein Lebensende glücklich und zufrieden zu leben.
Diese Geschichten sind die besten.


 "Ich will dir diese Geschichte nicht erzählen. Und weißt du auch, warum? Weil das ein Märchen mit Zähnen  und Klauen ist. Und weißt du, was ich überhaupt nicht abkann: dass du Schwarz und Weiß willst, Gut und Böse. Das ist doch das Problem mit der Wahrheit. Die Wahrheit kann manchmal sehr vieldeutig sein, oder sie kann wie ein Abklatsch klingen."
(Seite 15)

"Geheilt ist nur ein anderes Wort dafür, dass ich deine Art zu denken akzeptiere.
Geheilt nennt man jemanden, der endlich zu allem Ja und Amen sagt."
(Seite 346)

Das Cover ist sehr gelungen, es wirkt düster, mysteriös. Der verzweifelte Gesichtsausdruck und die herabfließenden Tropfen machen neugierig auf den Inhalt. Der Blauton ist gut getroffen und das dunkle Schwarz oben passt zum bedrückten Titel.

Atemnot gehört zu den Büchern, bei denen ich nach dem Lesen gar nicht weiß, was ich in die Rezension schreiben soll. Aber nach einigem Überlegen versuche ich es mal.

Der Einstieg legt sofort Spannung vor und wirft Dutzende Fragen auf. Jenna wird fast erfroren und völlig verwirrt aus einem See gefischt und erhält von einem Kommissar ein Aufnahmegerät, auf dem sie ihre Geschichte erzählen soll.
So erfährt man viel von ihr und ihrer Familie. Dass ihre Situation problematisch ist, steht bereits im Klappentext, aber in Wahrheit ist es noch schlimmer. Ihr Vater - den sie passenderweise Psycho-Dad nennt - kümmert sich kein bisschen um etwas anderes als sich selbst und sein Geld, und ihrer Mutter scheint sie auch egal zu sein.
Jennas Mittel, um den Druck zu lindern, ist, zu ritzen. Diese Szenen finde ich eher gewöhnungsbedürftig, aber obwohl die Versuchung groß ist, widersteht Jenna, was dann sehr erleichternd ist.
Grundsätzlich ist Jenna ein unglaublich vielschichtiger Charakter, wie sie schonungslos mit der Wahrheit umgeht und kein Blatt vor den Mund nimmt. Erlebnisse werden oftmals ziemlich heftig erzählt. Ihre Gedanken sind sehr interessant, aber auch konfus. Überraschung, Schock, Bestürzung, Verwirrung - hier sind viele Emotionen drin.
Der Schreibstil ist ungewöhnlich - aber im positiven Sinn. In Jennas Erzählweise ist eine besondere Note, die es anders macht und die ich nicht wirklich beschreiben kann.
Die Spannung macht nie wirklich Pause, auch wenn manche Stellen mehr, manche weniger interessant sind. Zudem fehlt mir mancher Moment, in dem der Puls plötzlich in die Höhe schnellt. Das liegt aber daran, dass ich etwas völlig anderes erwartet habe. Aber auch so wurde ich nicht enttäuscht.
Jennas Chemielehrer, Mr. Anderson, ist der einzige, der sich um Jenna sorgt, weshalb sie sich gleich von ihm angezogen fühlt. Diese Art Besessenheit ist meiner Meinung nach allerdings übertrieben. Dem Leser hingegen erscheint Mr. Anderson eher suspekt, ich musste ständig seinen Beweggrund hinterfragen. Das Misstrauen hält sich durch das ganze Buch, weshalb ich mich auch nicht entspannen konnte, wenn die beiden zusammen waren.

In diesem Buch war ich oft verwirrt, da viel passiert, immer mehr Fragen hinzukommen und es wahnsinnig viel Stoff zum Nachdenken gibt. Etliche Fragen werden auch überhaupt nicht geklärt, was wiederum Raum zum Grübeln lässt. Es werden sehr viele Probleme angesprochen und gezeigt, dass das Leben nicht immer perfekt ist, sondern ziemlich schrecklich sein kann.

Besonders brillant finde ich den Bezug zum Titel "Atemnot" und dem Original "Drowning Instinct".
Dazu wird auch einiges gesagt, was ich herausragend schön finde.
"Ständig ertrinken Menschen, lautlos, vor unseren Augen." (Seite 348)
"Ich glaube, ich bin schon die ganze Zeit am Ertrinken, aber so leise, dass ich es selbst nicht gemerkt habe." (Seite 244)

Auch wenn es verwirrend sein kann und die Charaktere unklar erscheinen, sorgen der besondere Schreibstil sowie die Themen für grüblerische und spannende Lesestunden.
Schon dafür, dass es kein gewöhnliches Buch ist, lohnt es sich, zu lesen. Denn was es so interessant macht, ist, dass man wirklich nicht entscheiden kann, wer das Monster und wer der Prinz oder das Opfer ist.

Vier Sterne für dieses Buch!


Für die Lesechallenge, in der ich das Buch gelesen habe, sollten wir auch noch ein Gedicht (wenn ihr weiterscrollt, dann findet ihr unten auch noch ein Foto) zu dem Motto "Atemnot" schreiben. Hier ist meins. (Ich schreibe keine Gedichte, habe davon so gut wie keine Ahnung. Ich habe nur das festgehalten was mir durch den Kopf ging. Ich weiß, dass es meilenweit bessere gibt, ich wollte meins hier nur aufbewahren. Die Gedichte der anderen Leser findet ihr hier.)
Das Gedicht hat nichts mit der Handlung des Buches zu tun! Es ist frei erfunden. :)

Atemnot

Es tut mir leid.
Ich konnte nicht klar denken,
mein Kopf war voller Neid.
Dabei wollte dir mein Herz schenken,
ich wollte dich doch nur lieben.
Stattdessen habe ich dich in den Tod getrieben.
Du liegst am tiefsten Punkt des Sees,
unter Schichten unschuldigen Schnees,
unten am Grund,
im Todesschlund.

Der Schmerz ist nicht zu ertragen,
mein ganzes Herz ist zerschlagen.
Ich bin hungrig, hungrig nach Liebe,
so fühlt es sich an, wenn ich dich verliere.
Unsere Küsse sind Vergangenheit,
meine Gegenwart besteht aus Leid.
Ich wünsche mir, ich wär bei dir.

Lange habe ich nachgedacht,
stets habe ich Hilfe gemieden,
ganze Nächte durchwacht,
jetzt habe ich mich entschieden.
Ich wähle dich.
Vielleicht werde ich dann glücklich.

Also springe ich.
Mein tiefer Fall erscheint mir unwirklich.
Tropfen spritzen auf, wie Tränen,
die meinen Körper lähmen.
Meine Beine sind so schwer
und ich bekomme keine Luft mehr.

Ich habe Atemnot.

Es ist kalt, eiseskalt.
Wo ist mein Halt?
Nirgendswo, denn ich sinke, ich sinke tief.
Die Welt kippt um, meine Welt wird schief.

Ich habe Atemnot.

Oben sehe ich schwaches Licht,
aber ich finde meine Kraft nicht.
Die Dunkelheit ist mir nicht geheuer,
in meinen Adern gefriert das Feuer.
Mich verlässt der Mut,
in meinem Herzen erlischt die Glut.

Ich habe Atemnot.

Ich fühle nichts,
doch ich sehe dich im Schein des Lichts.
Schwarz empfängt mich,
aber ich finde dich.
Außerdem sollten wir Atemnot auch noch in Szene setzen & ein Foto machen, welches die Stimmung des Buches einfängt. Meins ist nicht ganz so geworden, wie ich mir es vorgestellt hatte, aber ich habe es auch noch eilig am letzten Tag gemacht.
Hintergrundgedanken:
Im Hintergrund ist eigentlich ein See, mit dem es begann und mit dem es endete. Der Dolch, das ist ja klar, wofür das steht. Die verwelkten Blätter und Blüten für alles, was Jenna bekümmert, für alles, was verhindert, dass sie aufblüht, so wie sie es eigentlich sollte. Hinter dem Buch herrscht grausame Finsternis, die mit dem Regen die düstere Stimmung und die vielen Probleme im Buch widerspiegelt. Aber trotzdem sieht man weit hinten entfernte Lichter. Sie stehen für Rettung und die Hoffnung, die man niemals aufgeben sollte.

5 Kommentare:

  1. Eine sehr gute Rezi. Das Buch steht auch schon auf meiner Wuli <3 Ich hoffe es bald lesen zu können. :)
    Dein Gedicht ist echt der Hammer! Du bist wirklich talentiert :)

    Liebste Grüße

    Sonja

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    Antworten
    1. oh danke, das ist lieb :) aber ich hatte auch viel Zeit zum Nachdenken.
      Na dann viel Spaß beim Lesen, ich hoffe, es gefällt dir auch!
      Liebe Grüße ♥

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  2. Hallo Noemi,

    die Rezension macht direkt Lust auf das Buch! Zum Glück haben wir es gerade ertauscht :-)

    Liebe Grüße

    Kay

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  3. Hallo Noemi,

    eine tolle und sehr gut geschriebene Rezension zu einem Buch, welches mir auch sehr gut gefallen hat und ich kann dir nur zustimmen.

    Auf deinen Blog bin ich durch die FB-Aktion von Theresas Bücherschrank aufmerksam geworden und bleibe gleich mal als Leser bei dir :)

    Liebe Grüße,
    Uwe

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